„… Wieder war es Freitag geworden. In der vergangenen Woche war
Aurelia jede Nacht unterwegs gewesen. Von Sonnenuntergang bis
Sonnenaufgang trieb sie sich in Clubs, Bars und Diskotheken herum. Sie
zog dabei auch als Abschluss mit Lilith und jeweils einem Mann in das
kleine Hotel. Irgendwie war sie auf dem Weg, ein Wesen der Nacht zu
werden. Es gefiel ihr sehr gut und gerade das erschreckte sie nun.
War sie nicht hier, um eine Aufgabe zu erfüllen? Der Bogen und die
Pfeile lagen unbeachtet in der Wohnung von Daria. Jeden Morgen schlich
sich Aurelia in diese Wohnung, wenn Daria sie gerade verließ. Da die
Frau ja sowieso nicht da war, ließ sich der Engel dann einfach in das
weiche Bett fallen, wo er den Tag verschlief, doch damit sollte nun
Schluss sein! Hier ging es ja nicht um ihr eigenes Vergnügen, auch wenn
es sehr schön war, was sie bisher jede Nacht erlebt hatte.
Nun hatte sie sich also entschlossen, ihren Auftrag wieder zu
übernehmen und daher schlich sie völlig übermüdet hinter Daria her. Zum
Glück konnte sie niemand sehen. Im Bad hatte sie kurz einen Blick in den
Spiegel geworfen und war fast erschrocken. Die nächtlichen
Ausschweifungen hatten tiefe Augenringe und zerzauste Haare als Spuren
hinterlassen, denn auch die schönsten Dinge konnten anstrengend sein.
Aber wie hielt das Daria nur aus, so völlig ohne jede Aufregung zu
leben? Selbst das Fotoshooting war von ihr ganz normal absolviert
worden, wie Lilith danach bewundernd erzählt hatte. Die Kleine war so
brav und stellte damit eigentlich die Frage, wer von beiden der Engel
war. Sie schlief jede Nacht in ihrem Bett, war pünktlich, ordentlich und
brav. Der Engel hingegen ließ die Puppen jede Nacht tanzen und
vergnügte sich mit den Männern, dass es nur so krachte.
Es schien so, als wolle sie die versäumten zweitausend Jahre
irgendwie in einer Woche nachholen. Ihr feuriges Herz war erwacht und
forderte seinen Tribut von Aurelia. Wie sollte das nur weiter gehen? Sie
wollte erleben, was die Liebe war. Zumindest hatte sie nun die
körperliche Liebe kennengelernt. Aber Lilith hatte ihr auch gesagt, dass
ihr Herz nun nicht mehr gestoppt werden konnte. Sie würde sterben, wenn
sie es dennoch versuchen würde! War damit ihre Rückkehr in den Himmel
auch schon ausgeschlossen? War sie nun sozusagen ein gefallener Engel?
Nicht mehr weit entfernt von den Dämonen, wie Lilith und Petra es waren.
Aurelia dachte an ihre Schwester, zu der sie keinen Kontakt hatte.
Daria schien sie schon besser zu kennen.
Schritt für Schritt schlurfte Aurelia hinter Daria her. Warum
eigentlich ihr? Sollte sie nicht eigentlich diesen Mann treffen? In den
Clubs war er jedenfalls nicht gewesen, sie hatte ihn, trotz Suche, nicht
gefunden. Dabei kannte sie seine Akte doch auswendig und hätte bei
ihren Eskapaden zwangsläufig auf ihn treffen müssen. Im Laden angekommen
setzte sie sich auf das Sofa in der Mitte und hatte damit Daria den
Rest des Tages im Blick.
So beobachtete sie jede Bewegung der jungen Frau. Wie sie den Kopf
hielt, das Haar mit einer flüchtigen Bewegung aus der Stirn strich. Wie
sie zu den Kabinen lief. Sie war hübsch und grazil und Petra hatte mit
ihr das perfekte Model gefunden. Und sie war auf dem Boden geblieben.
Jede andere wäre nach dem Erfolg sicher abgehoben und würde schon unter
der Decke schweben. Daria nicht.
Sie machte sich für die Kundinnen krumm und dabei hing ihr Poster
überlebensgroß an der Wand des Ladens. Wenn eine der Frauen sie
daraufhin ansprach, dann reagierte sie schüchtern und verlegen. Sie war
ein liebenswertes Geschöpf und eigentlich für solch einen Strolch wie
Peter viel zu schade. Aber der Auftrag musste ausgeführt werden. Was
würde dann werden? Noch nie hatte Aurelia sich Gedanken um die Zukunft
gemacht.
Bisher war es auch nicht nötig gewesen. Doch jetzt schon! Ihr Magen
begann zu knurren und sie bediente sich von dem Teller mit den Keksen.
Auch Kaffee gab es hier und sicher würde sich Daria wundern, warum ihre
Tasse heute so schnell leer wurde. Aurelia sog den Duft des heißen
Getränkes und den Geruch der jungen Frau gleichzeitig ein.
Plötzlich saß Lilith neben ihr „Ach, hier steckst du!“, sagte sie
und griff sich die braune Tasse mit dem kleinen Marienkäfer, aus der sie
nun zu dritt tranken. „Ich habe doch noch meinen Auftrag!“, erklärte
Aurelia und zeigte auf Daria. „Dann kommst du heute Abend also nicht
mit?“, fragte die Dämonin. Der Engel schüttelte den Kopf und Lilith
sagte „Fein! Dann frage ich Petra!“, dann verschwand sie einfach von dem
Sofa und Aurelia konzentrierte sich wieder auf ihre Beobachtungen. …“
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Alle Informationen immer unter http://romantik.goeritz-netz.de/12.html
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